Ein Bild von der Welt machen. Warum?
Es ist der Wunsch, einen Augenblick festzuhalten. Dieser Augenblick ist flüchtig, eben nur für die Dauer eines Augenaufschlags vorhanden. Danach für alle Zukunft verloren und nur in der Erinnerung des Wahrnehmenden vorhanden. Aber mit Täuschungen. Je länger dieser Moment zurückliegt, desto phantasievoller stellt er sich in der Erinnerung dar.
Der Wunsch, etwas Gesehenes für die Nachwelt festzuhalten, ist vermutlich in die Gene des Menschen festgeschrieben. Soweit man die menschliche Entwicklung zurückverfolgen kann, hat es dieses Festhalten des Gesehenen gegeben. Man kann etwa Höhlenmalereien als erste Formen dieses Einfrierens eines optischen Eindrucks sehen, später Malerei und auch Bildhauerei. Wobei an Malerei interessant ist, dass die abstrakte Form erst mit der Photographie entstanden ist. Ich sehe daher die gegenständliche Malerei als eine Vorform der Photographie. Und am Ende sind wir bei der digitalen Photographie angekommen.
Wobei - ist das tatsächlich das Ende? Die technische Entwicklung der Menschheit war schon immer prognostisch eher schwer zu erfassen. Daher würde ich davon ausgehen, dass dem Festhalten eines visuellen Augenblicks als tief sitzendem Bedürfnis in Zukunft vielleicht andere Mittel verfügbar werden.
Auch ich versuche, mit meiner Photographie den Augenblick festzuhalten. Das in einem Bild einzufangen, was ich gesehen habe. Das ist weniger trivial, als es sich anhört. Schon von Anbeginn der Photographie vermochte die Technik nicht, das von Menschen Gesehene auf Papier zu bringen. Dazu bedurfte es immer mehr oder weniger großer technischer Fertigkeiten, sei es in der Dunkelkammer oder heute am Computer. Man könnte die neuesten Entwicklungen hin zu Generierung von Bildern durch KI-Systeme daher tatsächlich als neue Phase der Photographie einordnen: der Mensch beschreibt einen subjektiven visuellen Eindruck und aus dieser Beschreibung erzeugt ein Computer ein Bild. Spielt es wirklich eine Rolle, dass dieses Bild in der Realität niemals vorhanden war? Ja, aber nur in einer juristischen Blase, die Realität beweisen will anhand eines Bildes. Außerhalb dieser juristischen Blase möchte man einen Eindruck für die Zukunft erhalten, auf der Basis von subjektiv Gesehenem.
Meine Photographie ist hier aufgehoben. Schönheit, Ästhetik, Farbtreue, strukturelle Ausgewogenheit sind gute Leitfäden beim Photographieren. Aber sie sind für mich nicht der Kern. Manchmal befolge ich die vielen Regeln, die teilweise aus der Malerei kommen und viele Jahrhunderte alt sind, manchmal sind sie mir egal. Es zählt der visuelle Moment und die Emotionen, die er auslöst.